Ansprache Generalleutnant a. D. Walter Jertz
anlässlich der Übergabe des „KulturPreisEuropa 2008“ an die Staatliche Manufaktur Meißen am 13. März 2008

Meine Damen und Herren,
zunächst beglückwünsche ich die Staatliche Manufaktur Meißen zu dieser einmaligen Auszeichnung.
Ich bin mir der hohen Ehre bewusst, dass ich als Preisträger des Sonderpreises 2006 Ihnen den KulturPreisEuropa 2008 überreichen darf.

Die Gründe und die Begründung für die Vergabe der diesjährigen Auszeichnung hat der Präsident des KulturForumEuropa in prägnanter Form gerade eben vorgetragen. Dies muss ich nicht wiederholen.
Vielmehr wurde ich gebeten, im Lichte des mir in 2006 verliehenen Sonderpreises, einen Bogen zu schlagen zwischen meinen Bemühungen, Hilfe dort zu leisten, wo sie am dringendsten benötigt wird und der Bedeutung von Kultur und kulturellen Errungenschaften für die jeweiligen Völker, denen wir Europäer Hilfe geben.

Meine Damen und Herren,
KulturForumEuropa und KulturPreisEuropa - beide tragen die Begriffe Kultur und Europa in sich. William James Durant, ein amerikanischer Philosoph und Schriftsteller, gibt in seinem Werk (Kulturgeschichte der Menschheit) folgende populäre Definition zur Kultur: „Kultur ist soziale Ordnung, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt. Vier Elemente setzen sie zusammen: Wirtschaftliche Vorsorge, politische Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und Kunst. Sie beginnt, wo Chaos und Unsicherheit enden. Neugier und Erfindungsgeist werden frei, wenn die Angst besiegt ist, und der Mensch schreitet aus natürlichem Antrieb dem Verständnis und der Verschönerung des Lebens entgegen.

Verehrte Festgäste,
ich bin von einer Vision getrieben – genau wie Herr Topp und viele andere Menschen, die sich des Themas Europa annehmen. Es ist die Vision von einem freien und geeinten Europa, in dem trotz aller Gemeinsamkeiten jede Nation ihre eigene Identität behalten kann. In der Präambel der Charta der Grundrechte Europas steht, dass die Völker Europas entschlossen sind, „auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine friedliche Zukunft zu teilen“ und dass „[sich die Union] in dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes [...] auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität gründet [und] sie [...] auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit beruht.“. Eine der wichtigsten Ziele, die im Europäischen Vertrag verankert sind, ist die Verwirklichung der Menschenrechte in und außerhalb Europas.

Meine sehr verehrten Festgäste, ich möchte meine europäisch geprägte Vision auf alle Länder übertragen, in denen Deutsche ihren Beitrag zu einem friedlichen Miteinander leisten:

Beispiel Afghanistan: In Afghanistan geht es nicht um den „Kampf der Kulturen“, es geht um den „Kampf um Bildung und Erziehung“. Nur wer das erkennt und sich dieser Herausforderung stellt, wird die Zukunft erfolgreich gestalten können. Dazu gehört, dass besonders den Kindern in dieser Region geholfen wird; denn sie sind die Zukunft.

2006 habe ich als erster Soldat den Sonderpreis KulturPreisEuropa mit Stolz und Dankbarkeit entgegennehmen dürfen. Ich war damals sehr überrascht, weil ich mit meinen bisherigen Bemühungen, Kindern in Not in und außerhalb Europas zu helfen, glaubte etwas zu tun, was wir alle als Selbstverständlichkeit betrachten - und ich weiß, viele Menschen handeln genauso wie ich.

Herr Topp hat in seiner damaligen Ansprache gesagt, „seine Arbeit als Kinderbuchautor zusammen mit dem sozialen Engagement in seiner beruflichen Arbeit unter dem Tenor „Militär und Friedensstiftung“ soll mit dem Sonderpreis besonders gewürdigt werden.“

Doch, meine Damen und Herren, diese Ehre gebührte nicht mir allein. Ich sehe mich stellvertretend für viele Menschen in Europa, die freiwillig und häufig unter schwierigsten Bedingungen überall auf der Welt zu finden sind, um Hilfe zuteil werden zu lassen. Dazu gehören alle Vertreter von Organisationen, deren Denken und Handeln auf Hilfe ausgerichtet sind. Auch die Soldaten der Bundeswehr gehören dazu. Sie versehen in und außerhalb Europas einen schwierigen und fordernden Dienst, immer in der Absicht, Frieden und Stabilität in vom Leid betroffene Gebiete zu bringen.

Und es gibt die gemeinnützige Bundeswehreinrichtung „Children Art Soldiers Help“. Eine Organisation, deren Aktivitäten ich aus dem Erlös meiner Kinderbücher unterstütze.
Alle handeln nach Werten und Idealen, die auch das KulturForumEuropa vertritt. Toleranz gegenüber Menschen anderer Hautfarbe, anderer Herkunft, anderer Kultur, anderen Glaubens. Nur so kann man die Zukunft friedlicher gestalten.

Als besonders beispielhaft möchte ich an dieser Stelle noch das Engagement von Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler der Bretzelnwegschule Düren sowie deren Eltern erwähnen. Sie engagieren sich seit 2002 besonders für die Kinder in Afghanistan. Auch sie gehören zu der Gruppe derjenigen, denen eine Auszeichnung gebührt.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns stets bewusst sein, dass Freiheit, Leben und Würde von Personen Grundwerte in unserer europäischen Gesellschaft sind. Diese Werte anzuerkennen und zu akzeptieren, unser Denken und unser Handeln an ihnen auszurichten, ermöglicht erst die Umsetzung aller anderen Werte.

Erlauben Sie mir nun, zum Abschluss noch einmal kurz den Bogen zwischen dem sozial-politischen und wirtschaftlichen Tenor dieser europäischen Auszeichnung zu schlagen.

Ich erinnere an das, was ich eingangs zum Thema Kultur gesagt habe:
„Vier Elemente setzen die Kultur zusammen:

- wirtschaftliche Vorsorge,

- politische Organisationen,

- moralische Traditionen und

- das Streben nach Wissenschaft und Kunst.

Kultur beginnt dort, wo Chaos und Unsicherheit enden. Neugier und Erfindungsgeist werden frei, wenn die Angst besiegt ist – und der Mensch aus natürlichem Antrieb der Verschönerung des Lebens entgegen schreitet.“
Und in diesen Begriffen finden Sie genau das wieder, was den Preisträger des Jahres 2008, die Staatliche Porzellan Manufaktur Meißen auszeichnet.
Neugier und Erfindungsgeist waren und sind die Markenzeichen der Staatlichen Manufaktur Meißen und mit ihrem Wirken schreitet sie der Verschönerung des Lebens entgegen.

In diesem Sinne ist es mir eine große Ehre, der Staatlichen Porzellan Manufaktur Meißen jetzt den KulturPreisEuropa 2008 zu überreichen.


(v.l.n.r. Staatsminister Stanislaw Tillich, Walter Jertz, Dr. Hannes Walter)
(Foto: André May am-photoart.de)

Als Soldat bin ich es gewohnt, mich dem Primat der Politik nachzuordnen – ohne politische Billigung, keine Handlung.
So bitte ich den Vertreter des Freistaates Sachsen, Herrn Staatsminister Stanislaw Tillich, mir bei dieser wichtigen Amtshandlung zu assistieren.
Ich bitte auch den Präsidenten des KulturForumEuropa, Herrn Dieter Topp, sowie einen der beiden Geschäftsführer der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen, Herrn Dr. Hannes Walter, zu mir.


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