(v.l.n.r.) In Anwesenheit von Polens Botschafter in der Bundesrepublik, S.E. Jerzy Kranz, überreichte die Gastgeberin des Festakts, Bärbel Dieckmann, Oberbürgermeisterin der Bundestadt Bonn, den KulturPreis Europa 2002 (Urkunde und Kunst-Objekt) an Preisträgerin Elzbieta Penderecka aus Krakau. Ehrengast und Festredner war der polnische Kultusminister Waldemar Dabrowski, Warschau. Das KPE-Objekt 2002 gestaltete die Künstlerin Helga Eitz, Erftstadt (www.helga-eitz-skulptur.de ). Polens Generalkonsulin in Köln, Elzbieta Sobotka, hatte die deutsch-polnischen Aktivitäten des KFE intensiv unterstützt und maßgeblich zur positiven Durchführung der Veranstaltung beigetragen. Ca. 200 geladene Gäste gaben der Preisträgerin die Ehre.
KulturForum Europa
Laudatio zum 8. September 2002
Der Motor für Entwicklung heißt rascher Konsum. Erst viel später zeigt sich, ob ein Produkt ein gutes gewesen ist oder ob es sich um eine "Ex- und Hopp-Findung" gehandelt hat. Sein wirklicher Wert wird meistens erst im nachhinein empfunden, d. h. erst wenn dieser Zustand beendet ist: also nur im Vergleich, als Differenz zum Jetzt.
Dies trifft auch für Europa zu, trifft für Kultur zu, trifft auf spezifisch menschliche Errungenschaften zu, also für alles das, was wir als typisch menschlich betrachten: also für das Denken in größeren Zusammenhängen ohne sofortige Kosten-Nutzen-Rückkopplung.
Der Gedanke Europa ist nicht produktorientiert, nicht geeignet zum hastigen Verzehr. Kultur beginnt dort, wo zwanglos die Möglichkeit besteht, seine Erfahrungen zu erweitern.
Unabgeschlossenheit der honorierten Leistungen ist Programm des zukunftsorientierten Kulturpreis Europa, den das KulturForum Europa jährlich vergibt. Denn Ziel ist es, Menschen anzuregen und/oder zu bestärken, am Prozess Europa mitzuarbeiten.
Aus gutem Grund war die 1. Preisträgerin Annemarie Renger: Sie hat sehr früh die Sache der Frauen vertreten und vorangetrieben. Diese ist bekanntlich erst dann abgeschlossen, wenn in allen Positionen eine Normalverteilung der Geschlechter existiert.
Der 2. Auszeichnungsgrund: Kampf gegen Rechts und Öffnung nach Osten sind ebenfalls aktuell. Eine Auszeichnung, die nach Österreich, an Oberbürgermeister Prof. Dr. Helmut Zilk, in Wien vergeben wurde.
Das gleiche gilt für den 3. Preisträger aus Griechenland: Unverminderte Wachsamkeit gegenüber Entstehung von Diktaturen ist zwingend erforderlich, damit sie bekämpft werden können, bevor deren Zerstörungswerk einsetzt. Die Verdienste des Staatsrechtlers Prof. Dr. Dimitris Tsatsos liegen ebenso im kontinuierliches Arbeiten am demokratischen Verfassungsaufbau Europas in Brüssel.
Wichtig ist das Bewusstsein, dass Regionen Bausteine, Basis des politischen Gebildes Europa sind, der Beweggrund für die Vergabe 1996 nach Spanien an Bürgermeister Pasqual Maragall i Mira und die Stadt Barcelona.
Dass Europa in Johannes Rau eine Persönlichkeit besitzt, die als Vorbild dient, als Mittler in Konflikten, und als Handlungs-Modell dringend benötigt wird, führte zur 5. Preis-Vergabe an diesen Politiker.
Der KulturPreis Europa 1998 bezog sich auf die Bedeutung der Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Faschismus als stets gegenwärtige Katastrophe und Gefahr war im Jahre des 50-jährigen Bestehen Israels inmitten einer der krisenhaftesten Regionen der Welt, dem Mittleren Osten, der Grund für die Auszeichnung Avi Primors als Botschafter. Dieser arbeitet als kluger Akteur vorbildlich in einer der zur Zeit schwierigsten Beziehungen Europas zur Welt.
Und dazu ganz aktuell:
"Wer Beethoven spielt, der schlägt sich nicht die Köpfe ein", O-ton Daniel Barrenboim in der vorletzten Woche beim Tournee-Start seines arabisch-israelischen Orchesters:
Beethoven als aktueller Vermittler im Mittleren Osten.
1999 ging der KulturPreis Europa an 3-Sat, ein Programm, das seit fast zwei Jahrzehnten nach Europa hineinwirkt, als selbstverständlich unvollkommene Einrichtung, als Labor der Medien, als Baustelle, als Forschungsinstitut, aber auch "Spielwiese" durch Freiraum von unmittelbarem pekuniären Nutzen. Es wurde somit etwas ganz und gar nicht Selbstverständliches ausgezeichnet: Engagement in Sachen "Kultur schafft Toleranz". Ein überaus wichtiges Unterfangen im neuen Gefüge der Staatengemeinschaft, wenn medial-virtuell Entwicklung von Toleranz erleichtert und gefördert wird, so dass die Stufe der Akzeptanz im zwischenmenschlich europäischen Miteinander früher erreicht werden kann, eine wesentliche Bedingung friedlichen Zusammenlebens.
Auf diesem Weg befindet sich das gemeinsame europäische Satellitenprogramm im deutschsprachigen Raum als Förderer und Kultursponsor zwischen Alltagskultur und Avantgarde.
2000 wurde der erste Bürger einer Stadt ausgelobt, stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger Neapels, die der Wiedergeburt ihrer Stadt Geburtshelfer waren und weiterhin sind. Die "Restaurierung des urbanen Raums" stand auf der Kulturflagge Antonio Bassolinos.
"In den technisch zivilisierten Wüsten von Metropolis" gilt es "Terra Murata" aufzurichten. "Diese Lebensräume humaner Rationalität inmitten weltweit herrschender Zivilisationswüsten" müssen, so Bazon Brock, ganz anders aussehen als die alten Metropolen.
2001 ging der KulturPreis an "Besuch bei Mr. Green", eine Produktion mit Vorbildcharakter, ein aktuelles Stück um Toleranz und Akzeptanz von Minderheiten, in der Produktion des Theaters in der Josefstadt in Wien, an den Regisseur, die Schauspieler Michael Dangl und Prof. Fritz Muliar, sowie den US-Autor Jeff Baron, nur wenige Tage nach den Ereignissen des 11. September 2001, in erschreckender Aktualität.
Kultur ist nichts Natürliches. Es handelt sich um eine Leistung, die der Natur abgerungen werden muss.
Denkbare positive (geistige, kulturelle und soziale) Aspekte, die zur Idee Europa geführt haben, sind gefährdet, wenn nationale Egoismen die Gemeinschaft als Ganzes ignorieren.
Europa ist förderungswürdig und wertvoll in der Gesamtheit des kulturellen und sozialen Erbes eines jeden einzelnen Staates, jeden Bürgers, das es einzubringen, zu integrieren und zu nutzen gilt.
Auf diesem Weg soll der KulturPreis Europa Anstoß sein, eine Auszeichnung, die anspornt in den Anstrengungen nicht nachzulassen, anderen erfahrbar zu machen, dass eine tolerante Idee eine vielfältig kulturelle bedeutet, eine Chance, ein Modell friedlichen Zusammenlebens vieler verschiedener Menschen zu sein, deren Verschiedenheit als willkommenes Potential, als Mitgift gesehen wird, als Möglichkeiten, die bei der Lösung der vielfältigen anstehenden Probleme nützlich sein können und nicht etwas Fremdes, Angsterzeugendes, das es zu vernichten gilt.
Und hier meine Damen und Herren sind wir mitten in der Arbeit der Preisträgerin haben ihre Ziele eigentlich schon beschrieben.
Es steht die 10. Vergabe des KPE an, ein kleines Jubiläum. Und das begehen wir mit der Verleihung des KulturPreis Europa 2002 an Frau Elzbieta Penderecka im Sinne der Osterweiterung der EU mit Blick nach Polen:
Neben den gleichzeitig laufenden Veranstaltungen in Salzburg und Luzern zählt ein noch relativ junges polnische Festival bereits zu den renommiertesten seiner Art in Europa. Hier stimmt das Konzept, das nicht mit beliebiger Programmatik aufwartet oder ausschließlich auf internationale Staraufgebote setzt, hier werden Inhalte sinnvoll gebündelt und auch polnische Künstler respektive Orchester einbezogen.
Das Mittelalter, die Renaissance, die österreichisch-ungarische Monarchie - in Krakau atmet das Vergangene. Tausend Jahre polnischer und europäischer Kultur fügen sich hier organisch zu einem einmaligen Gebilde, das Historie und zeitgemäße Urbanität zu integrieren weiß. Krakau, ein Ort mit Genius Loci, ein Ort wie geschaffen also für kulturelle Events und wie kaum ein zweiter mithin prädestiniert, auch der so genannten Ernsten Musik ein breiteres Forum zu schaffen, eine Plattform, die E.P. ergriffen hat, um das Genre über die konventionellen Konzertangebote hinaus zu präsentieren.
... Mit dem "Ludwig-van-Beethoven-Osterfestival" scheint dieses Vakuum auf längere Sicht beseitigt worden zu sein. 1997 von Elzbieta Penderecka ins Leben gerufen, avanciert die Veranstaltung seither kontinuierlich zu einem der renommiertesten kulturellen Ereignisse des Landes. Dabei setzt das Erfolgsrezept der künstlerischen Leiterin neben schlüssigen dramaturgischen Konzepten auch auf Synergien, beispielsweise Ambiente und Aura der Stadt; denn sie eröffnen der Musik dank zahlreicher originärer Veranstaltungsorte eine einmalige Ausgangslage. ... (Martin Hoffmeister)
Doch trotz den nahezu perfekten Rahmenbedingungen sind für Elzbieta Penderecka auch in Krakau Mut, Passion, Engagement, ja Enthusiasmus gefragt, denn um ein Festival von Jahr zu Jahr professionell und auf hohem künstlerischen Niveau neu zu positionieren, bedarf es neben einer funktionierenden organisatorischen Infrastruktur vor allem ausreichender finanzieller Ressourcen.
In diesem Zusammenhang waren bislang in erster Linie Sponsoren gefragt, da Stadt und Land nur gut die Hälfte des Gesamtbedarfs beisteuerten.
Barzon Brock sagt: Hier geht es nicht um einen Anfang, der schon das Ende nach sich zieht. Es ist kein Anfang auf ein Ende hin, auf einen möglichen Abschluss des Vorgangs; es ist ein Anfangen ohne die Hoffnung, sich naiv zum direkten Fortschreiten in eine bestimmte Richtung treiben lassen zu können. Denn (so Franz Kaffka)"man zieht die Worte wie aus der leeren Luft. Ist eins gewonnen, dann ist eben nur dieses eine da, und alle Arbeit fängt von vorne an" .
Mit anderen Worten: Der Weg ist das Ziel.
Ob die staatliche beziehungsweise kommunale Unterstützung in Zukunft deutlicher ausfällt, dürfte nicht zuletzt von der Erkenntnis über Nutzen und Botschaft eines Festivals abhängen, das bereits heute nicht nur identitätsstiftend wirkt und Brücken nach (West-)Europa schlägt, sondern das ebenso den hohen Standard polnischer Kultur widerspiegelt.
Einen nicht unerheblichen Teil zum Erfolg des Festivals tragen auch die Rahmenveranstaltungen bei, die E.P. mit ihrer Festival-Organisation in europäisch übergreifendem Tenor jährlich erarbeitet:
Die Autografenschau in der Jagiellonen-Bibliothek - dem Motto gemäß mit Originalmanuskripten von Beethoven, Schubert und Chopin - zieht Hunderte von Besuchern in ihren Bann.
Das zweitägige Beethoven-Symposium in Fortsetzung der Arbeit der vergangenen Jahre vertieft die Erkenntnisse. Dabei liegt der Schwerpunkt der zahlreich angereisten Wissenschaftler des Symposiums im Austausch der unterschiedlichen Erfahrungen in Ost- und Westeuropa. So werden neueste Forschungsergebnisse nicht nur benannt, sondern in einem sehr offenen Gesprächsklima auch anregend und kontrovers diskutiert. (Martin Hoffmeister)
Nigel Kennedy(Welt 15/2002) : ( "Ein großer Traum ist für mich die Vorstellung, dass irgendwann die vielen Vorurteile, die es in der Musikwelt gibt, verschwinden werden. In jeder Musikrichtung gibt es irgendeine Art von Snobismus, von Arroganz.
Dann kann mir nur mein nächster Traum weiterhelfen. Der hat auch mit den Grenzen in der Musikwelt zu tun. Ich bin seit einiger Zeit künstlerischer Leiter eines Orchesters in Krakau. Ich träume davon, es zu einem echten Weltklasseorchester zu machen und auf diese Weise einen guten Einfluss zu haben auf das Leben dieser tollen Leute da. Ich liebe Polen, seit ich vor neun Jahren das erste Mal da war. Die Jazzszene ist unglaublich, vielleicht nur noch übertroffen von der in den USA. Die Musiker arbeiten verdammt hart. Die haben große individuelle Träume und verwirklichen sie. Und sie haben einen kollektiven Traum, der viel stärker ist als irgendeine blöde Jobmentalität. Der Elan dieser Leute - das muss man erlebt haben.
Als ich da das erste Mal hinkam, sagte ich mir, fuck, ich werde hier arbeiten, egal was hier sonst so los ist. Krakau ist für mich die beste Stadt, die ich mir vorstellen kann: musikalisch, künstlerisch. Und jetzt bin ich fast jeden Monat da. Ich kann den Krakauern auf vielerlei Art helfen und sie mir.) Ich wünsche mir, dass die Leute irgendwann nach Krakau fahren, um klassische Musik zu hören, so wie sie jetzt nach Prag oder Wien fahren."
... Und Sie können, meine Damen und Herren, ein Verdienst unserer Preisträgerin Elzbieta Penderecka. ...
Die Vergabe des KulturPreis Europa 2002 steht unter dem Aspekt der Osterweiterung der Europäischen Union.
Wenn 1994 mit der Verleihung in Wien der Blick von West nach Ost, zehn Jahre vor der Erweiterung des Staatengebildes gerichtet war, so ist kurz davor die Öffnung von Ost nach West, nach Europa, das Bekennen zu einem politisch-kulturellen gemeinsamen Nenner die Richtung.
Hier übernimmt es das KulturForum Europa, als Korrektiv zu wirken und zeichnet Leistungen aus, die positiv und unverzichtbar für die Zukunft Europas, aber noch nicht abgeschlossen sind:
Dies unterscheidet den Kulturpreis Europa von anderen Preisen, bei denen persönliche Leistungen ausgezeichnet werden, die der jetzt ältere Preisträger meist in seiner Jugend vollbrachte. (Nobelpreis)
Anders als die Belohnung der Originalität, die auf sehr verschiedenen Gebieten geleistet wurde und deren Auswirkungen nicht immer unumstritten sind, werden durch den Kulturpreis Europa Leistungen ausgezeichnet, die für das Gebilde Europa grundlegend sind.
Die Leistungen müssen also keineswegs originell sein, aber wesentlich für die Entwicklung Europas zu einem menschenwürdigen und damit politisch stabilen Zusammenschluss.
Es wird eine Signalwirkung angestrebt: Zum einen auf den Preisträger, in seinen Anstrengungen nicht nachzulassen - zum anderen auf andere Europäer, an dem als wertvoll erkannten Ziel mitzuarbeiten. Der Vergangenheitsaspekt ist Voraussetzung für das eigentlich Wichtige: den Zukunftsaspekt.
Der Kulturpreis Europa ist ein Ehrenpreis, der jedes Jahr neu für den Anlass gestaltet wird und den bislang Künstlerinnen ausdachten.
Der Erftstädter Bildhauerin Helga Eitz verdanken wir "Die Hand", ein Symbol für die Aktivitäten in unterschiedlichste Richtungen zwischen Geben und Nehmen, den Postulaten der Europäischen Einheit: Ein zukunftsorientierter Preis.
Die Stärke und die Fragilität des Ton-Objekts von Helga Eitz und die transparent gestaltete Urkunde "KulturPreis Europa 2002" von Christian Bauer (der Leiter der dem KulturForum assoziierten Akademie für Kunst+ Design) sind Symbol für Toleranz und Akzeptanz im neuen Staatengebilde und auch für deren Empfindlichkeit.
Frau Elzbieta Penderecki wird ausgezeichnet
als Kultur-Botschafterin Polens auf dem Weg in die Europäische Union.
In vorgenannten Sinne sind wir uns alle einig, dass Elzbieta Penderecka eine würdige Preisträgerin für den KulturPreis Europa 2002 ist.
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