Ungarn für Deutschland 1989 -2014 und die Oper für Europa

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 









Die Ungarische Staatsoper Budapest feierte am 5. Und 6. September den 25. Jahrestag der Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze mit einer internationalen Konferenz und einer Freedom OperaGala mit den vier Weltstars Anja Kampe, Piotr Beczala, Ferruccio Furlanetto und Andrea Rost. Die „Ungarn für Deutschland – Oper für Europa“ – Konferenz vermeldete mehr als 40 Teilnehmer aus 20 Nationen.

„Im Spätsommer des Jahres 1989 stand eine Lösung für Zehntausende von DDR Flüchtlingen durch den ungarischen Staat an. Langsam begriffen unsere Staatsoberhäupter die Zeichen der Zeit und den Ruf der Geschichte nach der Rolle der Nation als Brücke, einmal für die, die Honeckers kommunistischem Regime entfliehen und über Ungarn den Westen Europas erreichen konnten, zum anderen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands, von der man zuvor dachte, sie sei unmöglich, ein machbares Ziel geworden war,“ so Szilveszter Okovacs, Generaldirektor der Ungarischen Staatsoper Budapest in seinem Willkommengruß zum Auftakt der Feierlichkeiten, des Symposiums und der Operngala in der ungarischen Hauptstadt. Teilnehmer aus 20 europäischen Ländern und zahlreiche nationale und internationale Medienvertreter waren der Einladung in das vor kurzem erst wiedereröffnete Erkel Theater gefolgt, um das Ereignis mit zu gestalten und zu berichten. Es galt, über die Bedeutung dieser geo-politischen Veränderung auch für die Welt der Oper zu reflektieren, die vergangenen Jahre nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs aus unterschiedlichen Blickwickeln darzulegen und daraus resultierenden Ergebnisse in Strategien und Visionen für eine freiheitliche Zukunft im europäischen Opernbetrieb einfließen zu lassen. „Der Wunsch nach Freiheit ist universal. Dieser Gedanke leitet auch durch die große „Freedom OperaGala“, mit vier internationalen Starsolisten und dazu jungen Künstlern aus unterschiedlichen europäischen Ländern, die letzteren allesamt im Jahr 1989 geboren,“ so der Direktor weiter.

Ein wiedervereinigtes Deutschland und die darauf folgende Wiedervereinigung Europas haben ihre Spuren in den Opernbetrieben hinterlassen, im Osten mehr als im Westen. Die Entwicklung der Opernhäuser, strukturelle Änderungen, Reformen und daraus resultierende Probleme standen bei den Teilnehmern aus u.a. Belgien, Bulgarien, der Tschechischen Republik, Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Zypern zur Diskussion. Von größerer Bedeutung allerdings waren unterschiedliche Ausblicke auf ein Überleben der Oper in Zukunft. Oh Freiheit! Kehrst du zurück? 1989-2014: Operninszenierungen hinter dem Eisernen Vorhang und heutzutage, osteuropäische Karrieren – Manager und Künstler aus dem Osten, Verantwortung von Anbietern auf dem Kultursektor, Kooperation von Kultur und Medien in einem freien Europa, lauteten einige Themen des Symposiums, erweitert durch u.a. die Veränderung von Oper und Publikumsgeschmack in den vergangenen 25 Jahren, Produktionen der letzten Jahre im Hinblick auf Kooperation, Stil und Updating von Creative Teams.

Einige Ausführungen seien dazu stellvertretend benannt.
Walter Kobéra, künstlerischer Leiter der Neuen Oper Wien, berichtete von der Suche nach alternativen Spielplätzen, die einer neuen Oper dienlich sind und umgekehrt, von seinen Produktionen, die hautnah und sinnlich in Räumen stattfinden, die zu Mitspielern werden. Peter Spuhler, Chef des Badischen Staatstheaters, eines Mehrspartenhauses in Karlsruhe, bemüht um ständig neue Stücke über die 50 bekannten Opernwerke hinaus, beschrieb die anfänglichen Probleme des Publikums mit neuen Stücken und einer politischen Oper. Ein langer Atem sei notwendig und stetige Vermittlungsarbeit zum Publikum. Oper für junge Leute würden in Auftrag gegeben, die neues Publikum einbrächten.

David Zsoldos von der Ungarischen Staatsoper erweiterte diese Gedanken um die Herausforderung der digitalen Op(era), beschrieb z.B. aktuelle Musikplattformen, Online-Radio, soziale Netzwerke mit Streaming und Apps der Mobiltelefone als die nunmehr genutzten Instrumente einer digitalen Generation. Die Nachfrage nach Besitzen von Musik gehe zurück, der kostenlose Download verschiedener Opernhäuser müsse im Blick gehalten werden, um den Anschluss an die Zukunft nicht zu verpassen.

Aus Ungarn wusste Ferenc Anger, künstlerischer Leiter des Budapester Opernhauses, die Änderungen nach 1989 als Wende hin zu neuen Gedanken, Strukturen und Strömungen zu beschreiben. Diese seien im Land einer Achterbahnfahrt gleich wahrgenommen worden, Regietheater in der Oper, eine Fülle neue Premieren, die bis dahin unvorstellbar gewesen seien. Dem folgte ein Nachlassen in den 90ern, spürbar in der Gesellschaft allgemein, bedingt durch das Fehlen eines Anschlusses an die rapiden Veränderungen. Seit etwa 6-7 Jahren gehe es wieder aufwärts, die Oper in Ungarn habe Konjunktur mit zahlreichen Premieren, mehr als jemals zuvor. „Die Freiheit war wie eine Verpackung, die nach ihrer Öffnung dann eine Leere hinterließ. Die neue Freiheit konnte erst sukzessive durch neue Mitspieler, der neuen Zeit angepasste Verträge und das Ausscheiden von Ehemaligen Realität werden.

Operntreff auch Originalerleben auf der Bühne
Zwei Kurzopern bot das Haus den internationalen Gästen und dem ungarische Publikum. Openair gab es auf der Sphinx-Terrasse die Premiere von Donizettis „Il Campanello“ mit Serafina: Orsolya Hajnalka RÖSER, Don Annibale Pistacchio: Laszlo SZVETEK, Spiridione: Tamas KOBOR, Madama Rosa: Maria FARKASRETI und Enrico: Lajos GEIGER. Allesamt wunderbare Stimmen, die überzeugten. Balazs Benö FEHERs Regie wies dabei einige Längen auf. Ganz im Gegenteil dazu Menottis „Telefon“. Da stimmte alles: Andras ALMASY-TOTH hatte das kleine Ballett und die Darsteller exzellent um die farbig bemalte Sphinx vor dem Opernhaus in Szene gesetzt. Eine Lust war es, Ben: Zoltan BATKI FAZEKAS, dem Telefon: Kristof POROSZLAY und der schauspielerisch und gesanglich gleichermaßen talentiert mitreißenden Orsolya SAFAR als Lucy zuzuhören und -zuschauen.

 

Die Freedom OperaGala zum krönenden Abschluss
Das Wetter am Abend spielte leider nicht mit, so dass die Veranstaltung ins Innere der Budapester Oper verlegt werden musste. Einer sehr engagierten Crew gelang das Meisterstück, innerhalb von 45 Minuten Zuschauer und Ehrengäste innen neu zu platzieren, sowie Orchester, Chor und Solisten die Bühne herzurichten. Dies tat weder der Stimmung noch der künstlerischen Qualität irgendeinen Abbruch. Im Gegenteil, manch ein Besucher lobte den direkten Weg von Instrumenten und Stimmen im Inneren des altehrwürdigen Hauses. Orchester und Chor der Ungarischen Staatsoper unter der Leitung des sehr versierten und bescheidenen Dirigenten Peter HALAZ liefen zu Hochform auf; ebenso beim Österreicher Patrick Hahn mit Debüt als Dirigent an der Staatsoper Budapest, sowie seinem französischen Kollege Pierre Dumoussaud, einem wahren Showtalent am Orchesterpult.

Kodalys Galata Tänze eröffneten die Freiheitsgala. Ferruccio Furlanetto gab die Arie des Gremin aus Tschaikowskis Onegin, wurde stärker mit Bariton Mihaly Kalmandi im Don Carlos Duett, zeigte seinen Weltruf als Verdi-Bass im Gebet des Zacharias aus Nabucco. Eine starke und umwerfende Anja Kampe brillierte mit Leonores Arie aus Fidelio von Beethoven und dem ihr auf den Leib geschneiderten Liebestod aus Tristan und Isolde von Richard Wagner, dessen Interpretation ihren Weltruhm ausmacht. Der gefragte lyrische Tenor Piotr Beczala eroberte die Herzen mit der Arie des Ricardo aus dem 3. Akt von Verdis Maskenball und mit „Freunde, das Leben ist lebenswert”, aus Lehars Giuditta. Den Solo-Schlusspunkt setzte Ungarns Weltexport in Sachen Sopran, Andrea Rost. Nach ihrer Arie der Melinda aus der ungarischen Nationaloper Bank Ban riß sie mit wiederum einer Lehar Arie aus der Lustigen Witwe, dem Vilja Lied, die Besucher von den Sitzen. Den charmanten Höhepunkt bildeten zehn junge Solisten, geboren 1989, aus unterschiedlichen Ländern. Mit Peter Balczo, Mojca Bitenc, Geza Gabor, Tamas Kobor, Leon Kosavic, Nikos Kotenidis, Alena Kropackova, Tomasz Kumiega, Zoltan Megyesi, Josef Mukk, Gemma Ni Bhriain, Violetta Polchi und Sara Rossini und der Fuge aus Verdis Falstaff bewies sich der europäische Stimmennachwuchs.

 

Ich hoffe, so Direktor Szilveszter Okovacs, dass wir nach weiteren 25 Jahren ein wenig stolz darauf sein dürfen, dass wir diese Konferenz im Erkel Theater mit den Eckpunkten der Veränderung in der Opernwelt eines wiedervereinigten und offenen Kontinents gehalten haben, ebenso wie die Freedom OperaGala im 130 Jahre alten Opernhaus, zur Besiegelung des Erfolgs von 1989 und der paneuropäischen Idee. (von Dieter Topp)

Fotos: Attila Nagy

Weitere Informationen

http://www.opera.hu/en/news/A_Szabadsag_OperaGalat_az_eso_sem_tudta_elmosni


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